Der Soldat und Kriegsgefangene Remigius Dopfer
besucht die 7. Klasse

 

Wir hatten das Buch ,,Lauf, Junge, Lauf“ von Uri Orlev als Lektüre im Deutschunterricht gelesen. Das Buch handelt von einem jüdischen Jungen, der aus dem Warschauer Ghetto flieht und sich nun allein durchschlagen muss. Dies gab den Ausschlag zum Besuch von Remigius Dopfer, einem Großonkel einer Mitschülerin und Autor des Buches „Fern der Heimat“, in dem es um seine Erlebnisse im Krieg und in der russischen Gefangenschaft geht. Herr Dopfer besuchte am 5.12.2014 die 7. Klasse von Herrn Weisner. Wir hatten zuvor bereits ein paar Passagen aus seinem Buch gelesen und waren recht gut auf seinen Besuch vorbereitet.

Er erzählte uns von seinen Erlebnissen im Krieg und in der Gefangenschaft. Es war sehr still und jeder lauschte betroffen, denn so etwas Grausames können wir uns heute nur noch schwer vorstellen. Danach durften wir Fragen stellen, die er uns beantwortete. Herr Weisner gab Remigius Dopfer einen edlen italienischen Wein, und wir machten noch ein Foto.

 

Biographie von Remigius Dopfer

 

Remigius Dopfer wurde am 31.05.1926 in Ro?haupten als Sohn eines Schreiners geboren. Er war der zweitjüngste von 6 Geschwistern. Zu dieser Zeit gab es in Deutschland wegen der Inflation 6 Millionen Arbeitslose, doch als Hitler 1933 an die Macht kam, änderte sich alles. Er erließ vielen die Schulden und kurbelte damit die Wirtschaft an. 1932 kam der junge Remigius Dopfer in die Schule, sein Unterricht war geprägt von strengen Lehrern, Nationalsozialismus und viel Sport, da die Kinder schon auf das Kämpfen vorbereitet werden sollten. Mit 10 Jahren kam Herr Dopfer zur Hitlerjugend, wo den Kindern viele interessante Freizeiterlebnisse geboten, sie aber auch schon militärisch auf den Krieg vorbereitet wurden. Als Hitler im Jahr 1939 den 2. Weltkrieg begann, glaubten viele, dass er gut enden würde. Im Jahre 1943 bestand Remigius Dopfer seine Gesellenprüfung zum Schreiner mit dem Ergebnis gut. Im August 1943 wurde er in den Wehrdienst eingezogen. In einem Dorf namens Albertschwende erhielt er eine dreiwöchige Grundausbildung. In der Nähe von Bordeaux wurde er zum Fallschirmjäger ausgebildet. Er lernte eiserne Disziplin und das Schießen mit MGs. Im März 1944 musste Herr Dopfer dann an die Front in die Nähe von Florenz, dort schloss er sich den Panzerjägern an. Doch die Front wurde immer weiter zurückgedrängt. Er erlebte Bombenangriffe und heftige Gefechte, so dass er jetzt sagt, er habe einen guten Schutzengel gehabt. Irgendwann traf ihn ein Granatensplitter in den Kiefer und er durfte in ein Lazarett nach Füssen. So sah er seine Familie wieder. Im März 1945 wurde er nochmals an die Front beordert. Während er mit dem Zug nach München reiste, um nach Italien zu kommen, sah er viele zerbombte Städte und Bahnhöfe. Einmal wurde er sogar selbst bombardiert. In Innsbruck wurde er von der Militärpolizei abgefangen und an die Ostfront geschickt. Nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 und nachdem die Wehrmacht am 9. Mai aufgelöst wurde, versuchte er zwar über die Moldau zu den Amerikanern zu fliehen, doch er geriet in russische Gefangenschaft. Er wurde drei Wochen lang mit dem Zug gefahren. 90 Personen wurden in Viehwaggons ohne Fenster gepfercht. Es gab wenig zu trinken und nichts zu essen. Immer wenn die Männer aussteigen durften, wurden sie von russischen Soldaten mit aufgepflanztem Bajonett bewacht. So wurden sie in das erste Lager gebracht. Dort bekamen sie immerhin etwas zu essen: morgens eine Wassersuppe und einen Kanten Brot, abends etwas Hirse- oder Graupenbrei. Remigius Dopfer wohnte mit vielen anderen Männern in kleinen Baracken und musste Holz aus 10 km Entfernung in das Lager bringen. Im Mai 1946 wurde er in ein anderes Arbeitslager gebracht, wo er ähnliche Arbeiten verrichten musste. Er wurde danach noch in zwei weitere Lager gebracht, wo er Kohle abbaute und verschiedene handwerkliche Arbeiten verrichtete. Am 15. September 1949 wurden er und viele seiner Mithäftlinge freigelassen. Als sie die Grenze zur DDR überschritten, läuteten in einem Grenzdorf die Glocken. Am 3.10.1949 um 2 Uhr morgens kam er in Marktoberdorf an. Dort wurde er von seinem Bruder abgeholt und sah nach 5 Jahren erstmals seine Familie wieder.

 

Interview mit Remigius Dopfer

V: Wie hat es Hitler damals geschafft, eine solche Begeisterung für den Krieg zu entfachen?

Die Zeit vor Hitler war eine schlechte Zeit, denn die Wirtschaft war schwach und viele Menschen arm oder arbeitslos. Allerdings gab es viele Bauern, die die Menschen ernähren konnten. Nachdem Hitler an die Macht kam, wurden in der Schule Uniformen eingeführt und in Roßhaupten gab es bald eine Hitlerjugend, der immer mehr Knaben beitraten. Dort durfte man viel Sport treiben, was viel Spaß machte, und erhielt bereits ersten militärischen Drill.

V: Haben Sie immer noch eine Art Trauma, wenn Sie Sirenen oder so etwas hören?

Nein, bei Sirenen habe ich kein Trauma, aber es hat 15-20 Jahre gedauert, bis ich die schrecklichen Erlebnisse halbwegs verarbeitet hatte. Trotzdem hat sich das alles so furchtbar in mein Gedächtnis eingebrannt, dass ich alles nie vergessen werde. In meinem Buch habe ich ja nur das Wichtigste zusammengefasst. Mit meinen Erlebnissen im Krieg und der Gefangenschaft könnte man mehrere dicke Bücher füllen. Ich hab das Buch ja nur geschrieben, damit man nicht alles wieder vergisst und dieser schreckliche Krieg der Nachwelt in Erinnerung bleibt.

V: Was hat Ihnen geholfen, den Krieg und die Gefangenschaft zu überleben?

Ja, also ich hatte eine robuste Gesundheit und da ich verwundet worden bin, konnte ich mich daheim noch einmal so richtig erholen. Zu meinem Glück habe ich dann direkt vor der Gefangenschaft eine Kiste mit Schokolade gefunden und konnte mich voll essen. Also, ich bin gut gestärkt in die Gefangenschaft gegangen.

V: Wie verhielt es sich mit der Angst vor russischen Wachsoldaten oder dem Tod?

Wir waren wie Lämmer, die man zusammen treibt und wir konnten uns nicht wehren. Aber Angst wäre auch schlecht gewesen, weil man den Krieg und die Gefangenschaft sonst nicht überlebt hätte. Ich war immer in Trance und alles kam mir so unwirklich vor, aber man muss sagen, dass die große Ungewissheit auch Angst verhindert hat, der Tod wurde einem gleichgültig. Zum Beispiel habe ich aus einem Brunnen getrunken, der anscheinend verseucht war, aber da ich einen solchen Durst hatte, war es mir egal, ob ich jetzt sterbe. Am Ende hat mir das Wasser dann aber geholfen und ich bin nicht gestorben. Ja, aber einmal hatte ich richtigen Feindkontakt und auch Angst. Wir befanden uns in einer Kirche und die Kanadier beschossen uns mit Granatenwerfern und ihren Gewehren. Wir flohen rasch aus der Kirche und konnten entkommen.

V: War es schlimm, auf andere Menschen zu schießen oder betrachteten Sie diese ,,nur“ als Feinde?

Ich musste keinen einzigen Menschen umbringen und im ganzen Krieg keinen einzigen Schuss aus meinem Gewehr abfeuern. Wir waren eine Fallschirmjägerdivision und wurden nie angegriffen. Aber ich hätte natürlich schon geschossen, weil damals galt: ich oder du und der Schnellere hat überlebt. Ich bin natürlich sehr glücklich, dass ich keinen habe umbringen müssen.

V: Haben Sie noch Wut auf Russland oder Russen?

Nein, habe ich nicht, weil das auf Gegenseitigkeit beruht hat. Die Deutschen waren ja genauso schlimm. Die Russen wollten genauso wenig Krieg wie wir und die russischen Wachsoldaten hatten Angst vor uns, weil sie gedacht haben, dass wir im Gefangenenlager noch Waffen bauen könnten. Deswegen waren die ja so streng. Aber ich habe eine gewaltige Wut auf Hitler und Stalin, denn die haben die Hauptschuld am Krieg.

V: Welche Emotionen oder Ereignisse beschäftigen Sie noch heute?

Naja, also mein schlimmstes Erlebnis war die Gefangenschaft an sich und die Verwundung im Krieg. Auch wenn mir der Krieg die Jugendzeit genommen hat, finde ich, dass mein weiteres Leben sehr schön war, und das ist so ein kleiner Ausgleich für die schrecklichen Erlebnisse im Krieg.

V: Haben Sie bei der aktuellen Situation in der Ukraine Angst, dass es einen weiteren Weltkrieg geben könnte?

Nein, weil ein nächster Krieg alles zerstören würde. Die Atombombe hat bis jetzt einen Krieg immer verhindert, weil der andere ja auch eine Bombe hat. Ich glaube, der Mensch hat zu große Angst vor dieser Bombe.

V: Wir danken vielmals für dieses Interview!

Philipp Fricke, 7b