Flüchtlinge in Pfronten – ein Interview

Syrien – ein Land im Bürgerkrieg

Die politische Lage in Syrien ist sehr kritisch, weil in dem Land seit Jahren Krieg herrscht. Zuerst versuchten mehrere Gruppen den Diktator Assad zu töten, da er eine sehr grausame Herrschaft führt. Doch dann fingen die Gruppen an, sich gegenseitig zu bekämpfen, weil die einen streng religiöse Ziele haben und die anderen „rein“ politische Reformen anstreben. 2014 entwickelte sich aus einer Terrorgruppe der Islamische Staat (IS), der weite Teile Syriens und des Irak besetzt hält und dort durch Grausamkeiten (öffentliche Hinrichtungen, Vergewaltigungen, Folter) Angst und Schrecken verbreitet. Besonders betroffene Städte waren Kobane, Homs und Damaskus. Aus Damaskus kommen Aiman und Mohammed, die momentan in Pfronten auf ein Asylrecht in Deutschland hoffen. Eine Allianz, angeführt durch die USA, bekämpfen den IS aus der Luft, außerdem werden regionale Gruppen (Kurden im Kampf um Kobane) durch Waffenlieferungen unterstützt.

Vor der Not und Gefahr flohen Aiman und Mohammed mit ihren Familien in die Türkei. Dort aber ist die Situation angesichts der großen Flüchtlinsströme sehr angespannt und schlecht. Sie wollten nach Deutschland, wurden aber bereits in Ungarn polizeilich registriert. Trotzdem gelangten sie weiter nach Deutschland. Als sie hier ihren Asylantrag stellten, fiel auf, dass sie bereits in Ungarn registriert waren. Nach dem Gesetz der EU („Dublin 3“) drohte ihnen jetzt die Abschiebung nach Ungarn. Denn Dublin 3 besagt, dass Flüchtlinge in dem Land der EU ihren Asylantrag stellen müssen, in dem sie als erstes registriert wurden. Der Betreuer der Asylbewerber in Kempten schlug ihnen daraufhin Kirchenasyl vor. Der Kirchenvorstand der evangelischen Auferstehungs-Kirche Pfronten stimmte dem Asyl zu, obwohl die Rechtslage nicht eindeutig ist. Mohammed und Aiman wohnen im Turmzimmer der Kirche und dürfen das Kirchengelände nicht verlassen.

Weil ich dieses Thema interessant und wichtig finde, habe ich die Gelegenheit genutzt und für den „Ventilator“ Mohammed und Aiman interviewt.

 

Interview mit Mohamed und Aiman

V: Wo lebten Sie in Syrien?

A: In Damaskus

 

V: Wie haben Sie sich kennen gelernt?

A: Wir sind Cousins und haben beide in Damaskus gelebt. Wir sind dann gemeinsam geflohen.

 

V: Wie war die Situation vor dem Krieg in Syrien?

A: War sehr gut; ich habe Kleider an einem Stand verkauft und Aiman war Koch.

 

V: Wie machte sich der Krieg in Damaskus bemerkbar?

A: Es waren alle Häuser beschädigt und viele auch komplett zerstört. Man hat immer den lauten Geschützdonner gehört und viele Verwandte sind gestorben. Es gab zu wenig essen und viele Kinder sind verhungert.

 

V: Haben Sie noch Familie in Syrien?

A: Ja, viele entfernte Verwandte, aber auch unsere Brüder. Meine Frau und die Kinder sind in einem Flüchtlingscamp an der Grenze zur Türkei

 

V: Über welche Länder sind Sie geflohen? 

A: Also, erst in die Türkei, wo wir ein Jahr blieben. Dann sind wir weiter über Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Ungarn. Von dort direkt mit dem Auto nach Deutschland (=Schlepperbanden).

 

V: Wie waren die Verhältnisse in dem türkischen Flüchtlingslager?

A: Es war sehr kalt und dreckig. Und wir bekamen nur 13,- € im Monat pro Person. Es gab keine staatliche Unterstützung. Meine Familie ist leider immer noch da. In Deutschland hingegen bekommt man 325,- € pro Person im Monat und andere umfangreiche Unterstützung.

 

 V: Was hat die Flucht gekostet?

A: Von Syrien nach Ungarn 4.500,- €. Wir wissen, dass das zu viel war, aber uns ist nichts anderes übrig geblieben. Von Ungarn nach Deutschland sind wir für 440,- € in einem verdunkeltem Auto gefahren. Wir durften nicht rausschauen, damit wir nicht bemerkt wurden.

 

V: Wie waren die Verhältnisse in Ungarn?

A: Wir wurden dort von der Polizei gezwungen Fingerabdrücke nehmen zu lassen und kamen in ein Gefängnis. Im Gefängnis hat die Polizei Leute verprügelt, die nicht gehorcht haben. Man hat uns gesagt, dass es in Deutschland so schlecht wäre und wir in Ungarn keine Probleme hätten, aber das war eine Lüge. Wir wollten alle nach Deutschland und weg von Ungarn.

 

V: Wie sind Sie auf das Kirchenasyl gekommen?

A: Wir waren in Kempten in einem Asylhaus und sollten nach Ungarn abgeschoben werden, weil dort unsere Fingerabdrücke waren (Anmerkung: entsprechend „Dublin 3“). Der Dekan hat dann Kirchenasyl vorgeschlagen und wir kamen nach Pfronten. Hier ist es zwar schön, aber wir sind eingesperrt. Wir dürfen das Kirchengelände ja nicht verlassen. Nach 6 Monaten Kirchenasyl ist dann das Land Deutschland für uns verantwortlich und wir dürfen einen Asylantrag stellen.

 

V: Gab es Anfeindungen in Deutschland?

A: Nein, keine Anfeindungen von Deutschen. Sie sind alle hilfsbereit.

 

V: Sie sind gläubiger Moslem. War das Kirchenasyl ein Problem?

A: Nein.

 

V: Haben Sie eine politische Meinung?

A: Assad soll weg, weil er alle Leute tötet. Aber in Syrien kämpfen derzeit drei verschiedene Gruppen um die Macht. aber es ist am wichtigsten, dass Assad weg ist. Wenn er weg ist, können alle Syrer in Freiheit leben.

 

V: Wollen Sie nach Syrien zurück, wenn der Krieg vorbei ist?

A: Nein, weil alles kaputt ist. Es gibt dort keine Arbeit, keine Moscheen und keine Schulen. Ich will meinen Kindern eine gute Schulbildung ermöglichen.

 

V: War es von Anfang an klar, dass es nach Deutschland geht?

A: Naja, wir waren erst anderthalb Jahre in der Türkei, und in dieser Zeit haben wir beschlossen nach Deutschland zu gehen.

 

V: Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

A: Ich will in Deutschland arbeiten beginnen und die Familie aus der Türkei holen. Ich will, dass meine Kinder eine Ausbildung bekommen und nicht mehr frieren und keine Kriegsgeräusche hören müssen.
 
Mit diesem Artikel möchte ich darauf aufmerksam machen, dass es wichtig ist, allen Flüchtlingen eine Perspektive zu geben, solange sie keine Heimat haben. Außerdem möchte ich darauf hinweisen, dass „Dublin 3“ nur Sinn macht, wenn die Asylbedingungen in allen EU-Ländern gleich sind.


Philipp Fricke 7b