Die gleichgeschlechtliche Ehe: Wird die Liebe gewinnen?

Juni 2015, Washington DC: Der oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten von Amerika legalisiert mit einem Schlag die gleichgeschlechtliche Ehe in allen Bundesstaaten. Zuvor war es Paaren in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung in vierzehn der insgesamt fünfzig Staaten nicht erlaubt gewesen, zu heiraten; kein Wunder also, dass der Beschluss von den vor dem Gerichtsgebäude versammelten Befürwortern enthusiastisch gefeiert wurde, unter anderem durch das Singen der amerikanischen Nationalhymne. Doch die Reaktionen auf die Entscheidung waren nicht ausschließlich positiver Natur. Obwohl laut einer noch vor der Legalisierung der Homo-Ehe in den USA durchgeführte Umfrage des Wall Street Journal's ergab, dass 57% der befragten amerikanischen Bürger voll und ganz für die Gleichstellung mit heterosexuellen Eheschließungen seien, folgten auf die Legalisierung lautstarke Proteste von Seiten der Gegner dieser. Unter anderem weigerte sich beispielsweise ein Konditor in Tennessee, eine Torte für die Hochzeit eines homosexuellen Paares anzufertigen. Jenseits dieses konkreten Beispiels erfolgten zahlreiche weitere diskriminierende und homophobe Taten, die sich gegen gleichgeschlechtliche Paare richteten.

Der Beschluss des obersten Gerichtshofs der USA lieferte in einigen Ländern Europas, so auch in Deutschland, einen erneuten Anstoß für politische Diskussionen zu dem Thema; Vorwürfe an die deutsche Regierung wurden laut, es müsse sich etwas ändern, CDU/CSU und SDP würden sich hinter kaum standhaften Argumenten vor einer Entscheidung verstecken sowie hinter einem Jahre zurückliegenden Beschluss, der einer Übergangslösung gleicht. In Deutschland ist es gleichgeschlechtlichen Paaren zwar nicht erlaubt, zu heiraten, doch durch einen Gesetzesbeschluss gibt es für sie seit dem 01. August 2001 die „Alternative“, in einer so genannten eingetragenen Lebenspartnerschaft zusammen zu leben. Diese ist einer Ehe in vielen wesentlichen Aspekten beinahe vollkommen angeglichen, allerdings unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten noch von ihr, wie beispielsweise im Adoptionsrecht. Lebenspartnern ist es nicht erlaubt, gemeinsam ein fremdes Kind zu adoptieren, jedoch kann durch die seit 2013 gestattete so genannte Sukzessiv-Adoption ein von einem der Lebenspartner in die Partnerschaft gebrachtes leibliches bzw. adoptiertes Kind vom anderen ebenfalls adoptiert werden. Zudem gibt es für die eingetragene Lebenspartnerschaft keinen verfassungsrechtlichen Schutz. Dies liegt daran, dass die deutsche Verfassung von der Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner ausgeht. Da dies bei Lebenspartnern nicht der Fall ist, haben diese kein verfassungsgemäßes Recht auf eine Lebenspartnerschaft; dieses muss vom Gesetzgeber erteilt werden.

Durch eine vollkommene Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der „klassischen“ Ehe würden diese Unterschiede vollends aus dem Weg geschafft werden. Eine Umfrage des Spiegels ergab, dass rund 73% der Deutschen eine solche befürworten, 24% sprachen sich dagegen aus, während 3% keine Meinung zum Thema hatten. Also, was steht der gleichgeschlechtlichen Ehe im Weg, wenn die Bevölkerung größtenteils dafür ist? Welche Gründe gibt es, die dagegen sprechen, welche Hindernisse?

Zum ersten lautet die Antwort: die deutsche Regierung. Im Juli wurden in Berlin 12500 CDU-Mitglieder zu einer Abstimmung über die gleichgeschlechtliche Ehe aufgerufen; nur 4800 stimmten letztendlich auch wirklich ab. Die Fragestellung lautete: „Sind Sie dafür, dass auch gleichgeschlechtliche Paare die Ehe eingehen können?“ 42% antworten mit Ja – 52% mit Nein. Einige Parteimitglieder gaben vermehrt an, die Ehe sei für sie nach wie vor ein Bündnis zwischen Mann und Frau.

Neben diesen Begründungen eher persönlicher Natur gibt es im deutschen Grundgesetz jedoch tatsächlich einen Artikel, der gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ausgelegt werden kann, nämlich GG Art. 6 §1: „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.“ Einige sehen in einer Gleichstellung der Lebenspartnerschaft mit der heterosexuellen Ehe eine Gefahr für letztere, dies jedoch zu definieren, ist schwer, da sich die Gemüter spalten. Allerdings gibt es für Befürworter der Homo-Ehe ebenfalls zwei Artikel, welche ihre Ansichten unterstützen und die Entscheidung weniger eindeutig und einfach machen: GG Art. 2 §1, „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit [...]“ sowie GG Art. 3 §1, „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ Durch das Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe wird die Entfaltung der Persönlichkeit eingeschränkt, und homosexuelle Paare sind rechtlich nicht mit heterosexuellen Paaren gleich gestellt.

Einige Gegner stützen sich zudem bei ihren Protesten gegen eine Legalisierung auf Zitate aus der Bibel. In dieser heißt es nämlich in Lev 18, 22: „Du sollst nicht bei einem Mann liegen wie bei einer Frau; es ist ein Gräuel.“ Durch diesen Vers begründen sie ihre Aussage, dass Homosexualität eine Sünde sei, und stellen sich somit vehement gegen die Gleichstellung. Auch in anderen Ländern, wie beispielsweise Italien oder auch den USA, gehört dieses ausschließlich religiöse Kontra-Argument zu denen, die am häufigsten verwendet werden. Wer jedoch glaubt, dass im Falle einer Legalisierung Proteste von religiöser Seite drohen könnten, wurde im Mai 2015 sicherlich überrascht, als das überwiegend erzkatholisch geprägte Irland mehrheitlich für eine Gleichstellung der Homo-Ehe stimmte und diese somit erreichte.

Doch Amerika, Irland, selbst Berlin – all das scheint weit weg, Meinungen und Ansichten unterscheiden sich von Land zu Land und von Region zu Region. Um die allgemeine Stimmung im Allgäu zu erfahren, wurde von uns in der Fußgängerzone in Füssen eine Umfrage durchgeführt, welche ergab, dass auch hier die Bevölkerung mehrheitlich für eine Legalisierung ist: Knapp 70% der Befragten gaben an, für sie sei das Wichtigste, dass jeder die Chance hat, eine Familie zu gründen und glücklich zu werden, da dies immerhin eine persönliche und keine Angelegenheit der Öffentlichkeit sei. 15% der Befragten hingegen waren der Ansicht, Homosexuelle sollten zwar heiraten dürfen, allerdings sollte es ihnen nicht möglich sein, Kinder zu adoptieren, mit der Begründung, diese seien dann negativen Einflüssen ausgesetzt. Die Antworten auf die Frage, ob sie es für wahrscheinlich hielten, dass die Homo-Ehe in näherer Zukunft legalisiert werden könnte, fielen sehr unterschiedlich aus: etwa die Hälfte der Befragten antworteten mit Ja.

Aber letztendlich wird wohl die Zeit zeigen, ob sie und der Hashtag „Love wins“, der nach dem Beschluss des obersten Gerichtshofs der USA auf Twitter trendete, recht behalten – ob die Liebe wirklich gewinnt.

 

 Piera Tomasella, 10A